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Kahlschlag in Albersloh

Albersloh. Blankes Entsetzen und absolutes Unverständnis herrscht bei vielen Bewohnerinnen und Bewohnern des Albersloher Wohngebietes Zegen Esch/Langen Esch. Der Hintergrund: Was ihnen am 1. Februar 2023 in einem Brief der Stadt vom Dienstbereich 6 – Sachgebiet Umwelt und Klima – als „Rückschnitt des städtischen Grünstreifens zwischen Zegen Esch und Oskar-Schindler-Straße“ angekündigt worden war, endete wenige Tage später in einem Desaster.
„Vor zwei Tagen wurde hier ein Kahlschlag veranstaltet“, so beschreibt es Christiane Cleff, „der manchen Anwohner fassungslos und traurig stimmt. Wo vorher ein breiter Grünstreifen aus Bäumen und Büschen wie eine grüne Lunge dem Wohngebiet Sauerstoff sowie vielen Vögeln und kleinem Getier ein Zuhause bot, sieht es nun so aus: Gerodet und hässlich.“


Dieser Aussage können mehrere Anlieger des ehemaligen Grünstreifens nur zustimmen. Es seien mehr als zwanzig gesunde stattliche Bäume „ohne Sinn und Verstand“ gefällt worden. Das Buschwerk und die Hecke habe man gnadenlos platt gemacht. Von einem „Pflegerückschnitt“, geschweige denn von „Schnittmaßnahmen“, könne keine Rede sein: „Die beauftragte Firma ist hier mit großem Gerät angerückt und hat ohne Rücksicht auf Verluste eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.“
Andrea Döhring-Austermann und Oliver Austermann, direkte Anlieger des ehemaligen Grünstreifens, berichten von Vögeln, die nun bei einbrechender Dunkelheit verzweifelt einen Schlafplatz suchen. Und auch die Stare, die im Sommer von Juni bis August immer in großen
Schwärmen in den großen Bäumen übernachteten, „müssen sich jetzt ein neues Plätzchen finden“, so ein anderer Anlieger.
Der Albersloher Ortsvorsteher Sebastian Sievers (CDU) beschwichtigt die erregten Gemüter in einem „facebook“-Beitrag: „Auf einmal sieht alles radikal anders aus. Die Hecke wird aber wieder ausschlagen und wachsen. In gewissen Abständen ist ein solcher Rückschnitt sinnvoll, damit die Bäume und Sträucher nicht zu groß werden und ganze Häuser oder Gärten verschatten. Zudem wird dadurch die Pflanzenvielfalt erhalten. Es soll ja kein Wald entstehen, sondern eine Hecke bleiben.
Warten wir es mal ab, wie dieser Bereich sich bis zum Ende des Jahres entwickeln wird.“


„Die jetzt gefällten Eichen, Eschen, Vogelkirschen und Feldahorn-Bäume sind neben den Sträuchern im Bebauungsplan als ‚Schutz- und Trenngrün‘ ausgewiesen und über § 9 (1) Nr. 25 Baugesetzbuch (BauGB) als Fläche zur ‚Anpflanzung mit Erhaltungsbindung‘ deklariert“, widerspricht der B.f.A.-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Menke bei einer Ortsbesichtigung. Es gehe keineswegs um eine Hecke, die man auf den Stock gesetzt habe, sondern um gesunde, bewusst angepflanzte, ökologisch wertvolle, ortsbildprägende Bäume, die nun verloren seien: „Sie werden möglicherweise wieder austreiben. Sie werden aber nie wieder zu stabilen Bäumen werden.“
Er könne nicht verstehen, wie die CDU auf der einen Seite – zu Recht – fordere und auch honorieren möchte, dass auf Privat-Grundstücken neue Bäume angepflanzt werden, dass der CDU-Ortsvorsteher aber nun das Fällen der etwa 20 Jahre alten Bäume wegen der „Verschattung von Häusern und Gärten“ gut heiße.


Zudem sei festzuhalten, dass sich ein fachmännischer Rückschnitt durch abschnittweises Vorgehen auszeichne. Nicht durch Kahlschlag. Nur so sei das gesamte Habitat schonend zu revitalisieren und zu schützen. Hans-Ulrich Menke: „Die erschreckende Brachialität, die hier unter Begleitung des städtischen Bauhofes an den Tag gelegt wurde, ist im höchsten Maße unprofessionell und alles andere als naturschonend:“ Es werde Jahre dauern, bis sich ein neu angepflanzter Baumbestand, für den sich die B.f.A. einsetzen wird, auf der geschundenen Fläche auch nur ansatzweise die vielfältigen Funktionen der gefällten Bäume erfüllen kann. Und darum möchte die B.f.A. wissen, wer den „Rückschnitt“ des städtischen Grünstreifens zu verantworten hat? Hat die ausführende Firma auftragsgemäß gehandelt oder ist sie über das Ziel hinausgeschossen? Wer kommt für den materiellen Schaden auf? Wer trägt die Kosten der
Neuanpflanzung? Wer kümmert sich darum?